Jeder neu synthetisierte Wirkstoff der Pharmaindustrie erhält zunächst eine systematische Bezeichnung. WAY 316606, ein strukturell ähnlicher Wirkstoff zu Cyclosporin A, welches bei vernarbenden Alopezien und Alopecia areata eingesetzt wird, bietet neue Hoffnung bei der Behandlung, jedoch sind erhebliche Nebenwirkungen zu berücksichtigen. Cyclosporin A hemmt die Produktion des intrazellulären Regulators SFRP1, dessen Funktionen sowohl in den Haarfollikeln (für den Wechsel in die Ruhephase) als auch im Knochen und möglicherweise in anderen Geweben von Bedeutung sind, unabhängig von seiner immunsupprimierenden Wirkung. Die Substanz WAY 316606, ursprünglich als Medikament gegen Osteoporose entwickelt von britischen Forschern, hat eine gleiche oder stärkere Wirkung auf SFRP1 als Cyclosporin A, mit der zusätzlichen Vorteil, dass sie die Immunfunktion des Körpers wahrscheinlich nicht oder weniger beeinträchtigt. Der Wirkstoff WAY 316606 hat in einem Laborversuch eine signifikante Stimulierung des Haarwachstums und eine Verlängerung der Wachstumsphase von isolierten Haarfollikeln gezeigt. Es ist zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss, welche Wirkung WAY 316606 auf das Haarwachstum haben wird, da es bisher noch keine in vivo-Experimente gab.

Dutasterid ist ein 5α-Reduktase-Hemmer, der Ende der 1990er Jahre identifiziert wurde und in Deutschland als Arzneistoff unter dem Handelsnamen Avodart zur Behandlung der gutartigen Prostatavergrößerung zugelassen ist, jedoch nicht zur Behandlung der androgenetischen Alopezie zur Anwendung kommt. Der Wirkstoff hemmt ebenfalls die Aktivität des Enzyms 5α-Reduktase, wodurch die Konversion von Testosteron zu DHT reduziert wird und der DHT-Spiegel gesenkt wird.

Dutasterid zeichnet sich durch eine höhere Hemmstoffpotenz als Finasterid aus, da es an alle drei Typen der 5α-Reduktase mit höherer Affinität bindet. In der Fachliteratur finden sich jedoch auch abweichende Ergebnisse. Eine im Jahr 2010 veröffentlichte vergleichende Studie zu den Auswirkungen von Finasterid und Dutasterid auf die 5α-Reduktase II und III ergab, dass Dutasterid hauptsächlich die 5α-Reduktase III hemmt, während Finasterid beide Enzymtypen inhibiert.

Die Annahme, dass Dutasterid eine höhere Wirksamkeit bei der Behandlung der androgenetischen Alopezie aufweist als Finasterid, motivierte die Durchführung einiger Studien. Die Ergebnisse der Studien deuten darauf hin, dass Dutasterid im Vergleich zu Finasterid ein geringfügiges Überlegenheitspotential aufweist. In einer sechsmonatigen Studie zeigte sich, dass Dutasterid bei Männern mit androgenetischer Alopezie eine höhere Stimulation des Haarwuchses im Vergleich zu Finasterid erzeugte. Darüber hinaus zeigte sich in einer kleinen Studie, dass Dutasterid bei einigen Männern, die keine positive Reaktion auf Finasterid hatten, eine Wirkung erzielte.

Fachleute betrachten Dutasterid als vielversprechende neue Behandlungsmöglichkeit bei androgenetischer Alopezie. Sollte sich der Stoff als ein hochpotenter Inhibitor von 5α-Reduktase erweisen, müssen mögliche Nebenwirkungen in Betracht gezogen werden. Eine definitive Evaluierung der Wirksamkeit und Sicherheit von Dutasterid ist noch ausstehend, weshalb Ärzte das Medikament nur außerhalb der zugelassenen Indikationen verschreiben können.

Prostaglandin-Derivate, wie Latanoprost, Bimatoprost, Travoprost und Tafluprost, werden in Form von Augentropfen zur Senkung des Augeninnendrucks bei Glaukompatienten angewendet. Ebenso wie die endogenen Prostaglandine, binden auch die exogenen Prostaglandine an die Prostaglandinrezeptoren der Zellen.

Die Anwendung von Latanoprost und Bimatoprost führt zu einer Erweiterung der Ablaufkanäle des Kammerwassers und damit zu einer Normalisierung des erhöhten Augeninnendrucks. Wieder einmal wurde die haarwuchsfördernde Wirkung als unerwünschte Nebenwirkung festgestellt. Der regelmäßige Gebrauch von Prostaglandin-Analoga wie Latanoprost (Handelsname u.a. Xalatan) oder Bimatoprost (Handelsname u.a. Lumigan) bei Glaukompatienten hat zu einer signifikanten Erhöhung des Wimpernwachstums und der Dichte der Augenwimpern geführt.

Wimpernseren

Im Jahr 2008 wurde Bimatoprost als verschreibungspflichtiges Medikament unter dem Handelsnamen Latisse in den USA zur Behandlung von gestörtem Wimpernwachstum (Hypotrichose) zugelassen. Bimatoprost und Latanoprost gelten in Europa weiterhin als Medikamente speziell für die Glaukomtherapie.

Es gibt eine Reihe von Prostaglandin-Analoga, die zur kosmetischen Verwendung freigegeben sind und als ebenso effektiv gelten, die von Kosmetikherstellern in sogenannten Wimpernseren eingesetzt werden. Diese Substanzen umfassen Methylamido-dihydro-noralfaprostal (MDN), Dechloro-dihydroxy-difluoro-ethylcloprostenolamid und Isopropyl-cloprostenat. Eine Anwendung von Produkten, die Prostaglandine enthalten, kann zu sichtbaren Ergebnissen in Bezug auf Wimpernlänge und -dicke führen. Die regelmäßige Anwendung von topischen Augengelen führte zu einer signifikanten Verbesserung des Wimpernwachstums, der Verdichtung und der Intensivierung der Farbe. Die Wirkungen sind durch eine Verlängerung der Anagenphase der Wimpernfollikel bedingt. Um eine konstante Wirkung zu erzielen, müssen wie Minoxidil auch Wimpernseren regelmäßig angewendet werden. Nach dem Absetzen der Anwendung kehren die Wimpern zu ihrer Ursprung zurück. Zunächst kann es nach Absetzen des Präparats sogar zum verstärkten Ausfall kommen; die neuen Wimpern wachsen dann kürzer und weniger dicht nach.

Die Anwendung von Wimpernseren ist mit unerwünschten Nebenwirkungen verbunden. Es können Reizungen der Augen, Entzündungen der Bindehaut und des Lidrandes, eine Hyperpigmentierung der Haut um die Augen, vorübergehende Sehstörungen und gelegentlich auch eine permanente Verfärbung der Iris auftreten. Es wurden seltene Fälle von Netzhautblutungen, Aderhautentzündungen und Makulaödemen, schwerwiegende klinische Erkrankungen des Auges, beobachtet.

Kosmetika, die Prostaglandin-Analoga enthalten, können als Arzneimittel qualifiziert werden. Sie beeinflussen in erheblichem Maße biologische Prozesse. Da eine potenzielle Gefahr durch die Nebenwirkungen prostaglandinhaltigen Wimpernseren nicht ausgeschlossen werden kann, ist es möglich, dass der deutsche Gesetzgeber eines Tages eine nähere Prüfung vornimmt und die Anwendung ausschließlich zu kosmetischen Zwecken untersagt.

Es liegen mehrere Studien vor, die den Einsatz von Prostaglandin-Analoga als mögliche Therapieoption bei kreisrundem Haarausfall (Alopecia areata) zur Förderung des Wimpernwachstums untersuchen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Wirksamkeit der Behandlung bei 45 % der Patienten als gut oder moderat zu bewerten ist, während bei den übrigen die Behandlung als wirkungslos einzustufen ist. Es besteht noch eine Lücke in der Erklärung für die variierenden Ergebnisse.

In Studien konnte eine erfolgreiche Anwendung von Prostaglandin-Analoga bei der Behandlung von Alopecia areata und Androgenetischer Alopezie nachgewiesen werden. Ein Literaturüberblick aus dem Jahr 2017 weist darauf hin, dass Bimatoprost als potenzielle Therapieoption für den androgenetischen Haarausfall von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA anerkannt werden könnte, nachdem bereits Minoxidil und Finasterid zugelassen wurden.